kurze Geschichten

Jaenner.doc, E-Mails aus dem Jahr 2000

Blunzn - Essen beinhart analysiert

Immer noch auf der Suche nach H. Woffa

 

Eine Kurzgeschichte ohne Ende

„Eigentlich sind wir ja hier um etwas zu lernen, nicht um gut auszusehen. Dann hört doch da hinten bitte endlich auf, euch im Spiegel zu betrachten, und konzentriert euch auf die Beispiele die euch gegeben werden. Das ist nämlich so: Ich kann euch zwar eines immer erklären, kaum ist eine Kleinigkeit daran verändert, glaubt ihr schon ihr kennt euch nicht mehr aus, und versucht erst gar nicht auf den Zusammenhang zu kommen. Das brächte halt Sinn in die Sache.“
Damals wußte er ja wahrscheinlich gar nicht so richtig wovon er redete, sowie auch wir jetzt eigentlich nicht viel mehr als er wissen, eines aber wissen wir genau, wir brauchen keine Beispiele mehr, wir sind uns unser eigenes. Ich sitze hier in einer mit Wissen vollgestopften Schule des Jahres Schnee und wünschte das ich das alles schon viel früher erlebt hätte. Mein Schweigeimplantat tut weh, und ich weiß nicht einmal in welchem Jahr ich mich befinde. Eigentlich kann es mir ja auch egal sein, ich habe ja nur meinen Auftrag möglichst gut zu erfüllen, und wahrzunehmen so viel ich kann. Nur weiß ich nicht einmal, ob ich überhaupt wieder zurück will, was mich aber eigentlich nicht lange stören sollte, da sie mich sowieso holen werden. Ich bin von keiner Kommission der Zukunft die nach irgendwelchen Wahrheiten in der Vergangenheit forscht, hierhergeschickt worden, nein ich bin freiwillig gegangen, weil ich geglaubt habe einiges Interessantes erfahren zu können. Sollten sie mich auch wirklich zurückholen, müßte ich ihnen leider mitteilen, ernsthaft zu erwägen das mit dem Schweigegelübte wörtlich zu nehmen, und wie leid mir das täte. Ich könnte natürlich auch gezwungen sein, niederzuschreiben, was ich so erlebe, wäre aber wahrscheinlich leicht, es so zu schreiben, daß sie es nicht ernst nehmen würden. Nein, ich könnte ja ein ganz normaler Direktor einer unserer wie ich glaube besten staatlichen Integrationsschulen sein, und glücklicherweise die Möglichkeit bekommen haben, im neuen Simulationsraum einen Schultag der Vergangenheit mitzuerleben. Da wäre ich sogar lieber kein Direktor geworden, wenn das mit dem Simulationsfernsehen wirklich wahr wäre und ich einfach einen Knopf drücken und abschalten könnte. Vielmehr habe ich es leider nicht in der Hand, den Knopf zu drücken, sondern muß darauf warten, bis man es für mich macht.
Endlich legt er sein Federpenal auf die Seite und rückt es zurecht, tippt ein paar mal mit den Fingern darauf, er ist fertig und will gehen. Ich muß also nur den günstigen Moment abwarten, und sein Wasserglas nehmen. Er trinkt übrigens immer Wasser. Es hat mich auch relativ viel Zeit gekostet, überhaupt herauszufinden, was er warum und vor allem auch gewöhnlich und oft genug macht. Das Federpenal hätte ich ja übrigens auch nehmen können, das wäre sicherlich leichter zu transportieren gewesen. Sie wollten eigentlich nur ein Beispiel, das sollen sie haben.

Der Lehrer hat es schon immer gewußt, selbst aber nicht ganz wahrgehabt oder wahrhaben wollen. Er hat es seinen Schülern sogar noch nachdrücklich gesagt. „Vergeßt nicht, daß ihr zumindest ein bißchen abstrakt denkt. Dies zu lernen ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. Ich muß versuchen aus mehreren Beispielen, das herauszuholen, was ihnen gemeinsam ist, kann dadurch auf eine Struktur, einen Zusammenhang kommen, der mir eine Anleitung für weitere Beispiele sein kann.“ Habe ich dann ein Beispiel, das mir völlig unbekannt erscheint, muß ich die Fähigkeit entwickelt haben, diese Struktur auch in diesem Beispiel zu erkennen. Nur so wird es lösbar sein. Beispiele werden uns viele geliefert, den Zusammenhang immer im Auge zu behalten ist dabei äußerst schwierig. Man erlebt es immer wieder, daß einem dies nach Erklärung, oder später auch selbst erst dann völlig klar und augenscheinlich wird. Mittlerweile wissen wir ja, daß auch unser Leben eine einzige Anhäufung von Beispielen ist, bei denen dies genauso funktioniert. Erst wenn es zu Ende ist, wird einem der Sinn klar, weil sich erst dann herausstellt, was die Grundstruktur aller Beispiele ist, und in welchem Zusammenhang sie miteinander stehen. Während dem Leben müssen wir uns darauf beschränken, Ähnlichkeiten zwischen den Dingen wahrzunehmen, und in nach außen hin völlig unterschiedlichen Beispielen etwas wiederzuerkennen, von dem man zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht weiß was es ist. Wir brauchen uns zum Glück nicht mehr versuchen zu erklären, was uns Zufall überhaupt bedeuten könnte. Das unsere Welt so aussieht wie sie aussieht, das Menschen tun was sie tun, liegt eben nur scheinbar in des Zufalls Hand. Dieser kann genannt werden wie er will, er ist nicht, was wir uns eigentlich darunter vorstellen. Kann ich nämlich zwischen Dingen, deren Wesen wir nur auf den Zufall zurückführen, etwas wiedererkennen, was mir aus anderen Dingen bekannt vorkommt, dann bin ich der Struktur des sogenannten Zufalls wieder etwas näher gekommen. Das Wichtigste dabei ist, daß man das richtige Denken beherrscht. Richtig ist es dann, wenn man nicht stetig daran arbeitet sich seine Realität, sein Leben und sein Umfeld durch Gedanken zu erklären, sondern man sich seine Gedanken durch die Realität zu erklären sucht.
Eine Grundstruktur dabei könnte sich in dem finden lassen, das auch Dinge ein bestimmtes Wesen haben, das zu uns nur durch seine Existenz selbst spricht, und sich nicht mit vereinfachenden Worten oder sonstigen, durch die begrenzten Möglichkeiten unserer Sinne bedingten Vereinfachungen zufriedengibt.
Dazu, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann ich nur mehr an sie appellieren, auch dies nicht zu wörtlich zu nehmen, sondern es einfach wahrzunehmen, und erst in gegebenem Zusammenhang als das was es ist, nämlich ein Beispiel, zu benützen. Ich danke Ihnen vielmals. Auf Wiedersehen.“

War eigentlich ein ganz guter Vortrag, denn reden kann er schon, aber ob er das, was er hier von sich gibt überhaupt selbst so richtig glaubt? Ich meine, sicher kann ich mir ja nie sein, aber irgendwie mutet es mir schon ein bißchen nach Kontemplaria an. Die verkaufen dir ja auch wirklich alles, bald werden sie Zufriedenheit über unsere Bildschirme schicken. Die Errungenschaft selbst ist es ja nicht gerade, gewußt hätte ich das eigentlich auch, ich habe es nur noch nie so richtig gemerkt, und er hat es mir jetzt eben gesagt. Was will er also überhaupt mit seinen überphilosophischen Weisheiten, ich hab das alles schon immer gelebt, mit einer gesunden Intuition brauche ich mir nicht den Kopf zu zerbrechen wie die Dinge stehen sollten oder könnten.
„Ich habe gerade wieder so dazugelernt, wie hat es dir denn gefallen?“ sage ich freundlich zu meiner Sitznachbarin, die mich nur mit großen Augen und offenem Mund anstarrt. „Na, ja mir fehlen noch etwas die Worte, ich habe aber einige Antworten gefunden, und finde es äußerst interessant, daß es diese Verbindungen wirklich gibt.“
Bis sich unsere Sitzreihe etwas lichtet, wird wohl noch einiges an Zeit vergehen, darum frage ich sie, ob sie denn auch eine von den Gratiskarten aus dem Preisauschreiben der Einkaufsautomaten gewonnen habe. Sie kaufe nur Naturprodukte und kenne ein Geschäft, wo man zwar die Automaten noch nicht habe, aber dafür mehr einzelne Zutaten und viel Natürliches kaufen könne. Die Karte habe sie in ihrer Funktion als Bankangestellte von einer Belegegesellschaft geschickt bekommen, und eigentlich schon geglaubt das sie hier nicht angekommen sein dürfte, weil der Schranken nicht gleich aufgegangen war.“ Aha. Hat dann doch funktioniert, was?“. „Glücklicherweise, denn an der Kassa sind sie ziemlich teuer wie ich weiß“. „Dafür braucht man sich dort aber auch nicht anzustellen, schönen Abend noch, vielleicht sehen wir uns ja wiedermal.“ Irgendwie hatte ich auch das Gefühl ich würde sie wiedersehen, konnte mir aber nicht ganz erklären warum ich das eigentlich sollte.
Ob wir uns denn vielleicht einmal treffen könnten, konnte ich nun auch nicht mehr fragen, denn sie war inzwischen hektisch in Richtung vordere Ausgänge losgeeilt.
Ich war ja eigentlich immer ein sehr zufriedener Mensch. Die Ängste und Sorgen vieler meiner Freunde hielt ich hauptsächlich für überbewertete Nichtigkeiten, aus denen man vielmehr machen konnte, als sie überhaupt waren. Meine wiederum konnten mich natürlich schon eine Zeit lang beschäftigen. Wie auch immer, sie kann ja ruhig einmal davonlaufen. Wenn sie interessant ist, werde ich sie schon wieder einmal treffen. Auch sonst habe ich nicht das Problem damit. In nächtelangen Diskussionen bemerkten wir unsere gute Bildung, den Wohlstand, den wir genießen und vor allem auch unser politisches System, das dies alles mit sich bringt. Jeder nahm sich zwar in gewisser Weise wichtiger als er war, eigentlich hatte nur er selbst gewußt, wie sehr wir diese Dinge wirklich genossen, das wir aber alle nur eine gemeinsame Feststellung machten, fiel nie wirklich auf: uns ging es gut. Es hat sich auch alles so wohlgefällig weiterentwickelt.


2

Ich hatte es noch nicht einmal ganz verstanden, ich wußte nur das ich ihm nachlaufen mußte, es durfte mir nicht noch einmal passieren, und er konnte mir nicht nocheinmal entwischen.
Das tat ich auch, und zwar mit aller mir möglichen Kraft. Er ist ja schließlich der Meister seines Faches, ihn zu sehen allein genügte mir schon nur dafür einige Minuten über das nachzudenken, das ich die letzte Zeit immer suchte, aber vergessen zu haben glaubte. Er konnte es in mir wieder hervorrufen, und mich aufs Neue begeistern und verwundern. So auch diesmal wieder.